Mittwoch, 10. Dezember 2014

Süß oder selten

Stell dir vor du fährst im Dezember nach Helgoland und kannst am weiten Nordstrand der Düne süße kleine Kegelrobbenbabys beobachten (Bild A) oder dich am Rand des Gewerbegebietes auf der Hauptinsel vor ein graues Gestrüpp stellen und darauf warten, dass eine pummelige, braune Ammer ihr Versteck verlässt und für eine Weile auf dem zerborstenen Betonweg herumhüpft (Bild B). Wofür entscheidest du dich?



Richtig ist natürlich Variante B denn die Ammer ist nicht irgendeine Ammer sondern eine Maskenammer, die so unscheinbar wie selten ist, außer auf Helgoland. Es ist bereits der vierte Nachweis dieser ostasiatischen Art auf dem roten Felsen, was angesichts ihres Auftretens in Europa unfassbar ist. Sie ist so selten, dass sie aus dem Hauptteil des Kosmos Vogelführers in den Anhang verbannt wurde und sich von ihr dort nur ein kleines Bild eines prächtigen Männchens findet. Wer sich mit der Bestimmung der Art auseinandersetzen möchte dem sei daher dieser Artikel von Bradshaw (1992) empfohlen:
britishbirds Black-faced Bunting (pdf).
Wer weiß also wann einem so ein wundervoll unscheinbarer Vogel in Europa wieder über den Weg läuft. Da müssen auch flauschige Kegelrobbenbabys zurückstecken.
Aber die Ammer ließ nicht lange auf sich warten und so konnte ich beruhigt mit der Fähre zur Düne übersetzen und im klaren Licht des Dezembernachmittags die Robbenkolonie auf der Düne bewundern. Kein echter Geheimtipp mehr. Geschätzt 40 ambitionierte Tierfotografen tummelten sich auf der Düne, alle waren auf der letzten Fähre zur Hauptinsel, die wäre sie gesunken sicherliche eine viertelmillion Euro in Optik mit in die Tiefe gerissen hätte. 40 Fotografen, dass sind etwa 4 Kegelrobbenbabys pro Fotograf nach Zählungen von Mitarbeitern des Vereins Jordsand. Und es war ein reges Treiben in der Robbenkolonie. Ein Jungtier war frisch geboren als ich ankam, andere dösten in der Abendsonne oder wurden von ihren Müttern gesäugt. Kräftige Bullen mit blutigen Nacken kämpften in der Brandungszone oder rückten den Weibchen auf die Pelle. So emotionslos wie die Robben den Rest des Jahres auf dem Strand liegen oder im Wasser dümpeln so aufregend ist ihr Leben im Dezember. Geburt, Revierkämpfe, Balz, Paarung, Jungenaufzucht alles ist in einen kurzen Zeitraum im Winter gequetscht. Ich frage mich warum ich nicht früher mal im Winter hierher gekommen bin.







Vielleicht hat es bis zu meinem ersten Besuch so lange gedauert weil es so furchtbar umständlich ist Helgoland zu dieser Jahreszeit zu erreichen. Einzig die Fähren von Cuxhaven fahren noch aber zu so ungünstigen Zeiten, dass bei eine Besuch übers Wochenende nur wenige Stunden Tageslicht bleiben und auch dann braucht man noch viel Glück mit dem Wetter. Am letzten Wochenende habe ich diese Odyssee dennoch auf mich genommen. Gemeinsam mit einigen Birdern aus dem Ruhrgebiet stand ich auf dem Achterdeck der Funny Girl, die ruhig aus dem Fährhafen ins Elbfahrwasser glitt und kurs auf Helgoland nahm. Nach Tagen stürmischen Ostwinds zur absoluten Nebensaison der Seawatcher blickten alle mehr gelangweilt aufs Meer. Nur ein Fischkutter mit hunderten Silbermöwen im Schlepptau bot Motivation die Ferngläser zu heben. Und was schwamm dort im Kielwasser unter den Möwen? Ein Thorshühnchen. Großer Jubel auf dem Achterdeck. Wenig später ein weiterer Fischkutter mit noch mehr Großmöwen und darunter ein kleiner dunkler Vogel. Eine noch größere Überraschung: ein Dunkler Sturmtaucher. Was ein Glück. Mitte Dezember bei Windstille zwei Pelagen auf der Überfahrt. Wenig später flog noch ein Trupp Kurzschnabelgänse über das Schiff und ein Zwergschwan folgte kurze Zeit später. So wurde ein Wochenende, dass ich eigentlich ganz der Robbenfotografie widmen wollte, ein Wochenende der Vogelraritäten. Ja so war es. Bis zum nächsten Mal, stay tuned Euer Felix




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